Venediger- Großer Geiger 1996

Ein zweiter Versuch einer Gletschertour. Die gleiche Mannschaft wie letztes Jahr.

Zelten am Ausgang des Sulzbachtales.

1. Tag
Am Ende des Sulzbachtales trohnt der hohe Geiger. Aufstieg zur Kürsinger Hütte, benannt nach dem Grafen, der mit großer Mannschaft den Großvenediger als erster bestieg. Es gibt abenteuerliche Kupferstiche davon. Die hatten noch keine Hütte, und die Gletscher waren damals wesentlich ausgedehnter. Am Talende hat man die Wahl zwischen einem Gletscherbesichtigungsweg (unten), oder an einer Felswand (gesichert) auf schmalem Steig hoch zur Hütte. Es schneiselte.

Auf der Hütte erlaubten wir 2 Personen, sich uns anzuschließen am morgigen Tag .

2. Tag
Viele Wolken, dazwischen blauer Himmel,- was wird siegen? Am Anseilplatz waren wir nun zu fünft. Der Schnee war morgens schon weich, man wusste bei keinem Schritt, wie weit man einsacken würde. W. hatte einen Pickel statt Stöcken, das war hier in dem relativ flachen Gelände nicht praktisch. Außerdem war er am Ende einer Penizillinkur, und so erheblich geschwächt.
Trotzdem war der erst einmal blauer werdende Himmel ermutigend.

Es zog aber bald zu. Der Schnee war nicht nur tief, er hatte auch alle Spalten angefüllt. Auf dem Bild unten links sieht man, wie die Spur eine recht große Spalte quert, und man sieht, dass viele in die Spalte getreten sind, ohne einzustürzen,- man sackte bloß etwas tiefer mit einem Bein ein. 

Es wurde kalt und feucht. Die beiden, die wir mitgenommen hatten, hatten wenig Ausrüstung. Ich verlieh einen Teil meiner Sachen mit dem Effekt, selbst zunehmend zu frieren. Die beiden Bilder unten zeigen, wie schnell es plötzlich zuzog: Auf dem linken Bild sieht man den Holländer mit den weißen Hosen noch klar, auf dem rechten ist er kaum 100 m weiter gegangen und schon voll im Nebel. Wir ziehen uns die Handschuhe an.

Irgendwann war es uns einfach zu kalt und nass, und Hoffnung auf Aussicht bestand auch nicht. Wir sind wieder umgekehrt. Noch eine Nacht auf der Kürsinger Hütte.

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3. Tag: Von der Kürsinger Hütte zur Warnsdorfer Hütte
Ein strahlender Morgen! Abstieg auf den Boden des Obersulzbachkeeses. Es geht erstaunlich tief runter. 
Blick nach Westen mit großem Geiger (Pyramide links). Der Weg (Bild unten) geht nicht durch die tiefste Stelle am Horizont (vermutlich wegen Spalten), sondern über das Gamsspitzl, den kleinen Schneebuckel,  unmittelbar links davon..
Es ist nur nicht auszumachen, wo und wie der Weg aus dem tiefen Tal im Vordergrund herauskommt. Unten kraxelten wir über mehrere Schuttströme und den flachen, aperen Gletscher. Nun erst sah man, wie es weiter ging: Mit Leiter und Drahtseil werden die ersten Höhenmeter genommen. Der Karte ist das nicht zu entnehmen.

Dann ging es aber auf normalem Pfad weiter aufwärts. HL ging vor mir, er bemerkte eine Biegung des Pfades nicht, glaubte, es gehe geradeaus, eine Steilstufe hoch. Mit den Worten „An die kleinen Leute hat man hier mal wieder nicht gedacht“ reckte er sich, um sich an einem Felsblock hochzuziehen. Dieser jedoch gab nach und stürzte ihm entgegen und rollte über seinen Fuß. Der Schreck war groß. HL zog den Schuh aus, sein Fuß war wohl gut geschützt gewesen,- nur der dicke Zeh war getroffen. 

Einer guten Eingebung folgend sagte ich: Zieh den Schuh sofort wieder an, sonst kriegst Du ihn nie mehr an! Etwas hilflos schaute ich nach allen Seiten: Die Kürsinger Hütte blinkte gegenüber, fast auf gleicher Höhe, doch zwischen uns ein tiefes Tal.

Oder es riskieren, weglos ins Sulzbachtal abzusteigen? Man weiß nie, wie das Gelände noch sein wird. Tatsächlich schien es am besten, die Warnsdorfer Hütte anzustreben, denn der Gletscher gleich oben würde recht flach sein. Das hat HL. auch prima geschafft.
Die beiden Fotos sind kurz vor oder nach dem Unfall aufgenommen. Rechts der Groß-Venediger, an diesem herrlichen Tag, von Westen aufgenommen.

 
Wir kamen gut bis zum Gamsspitzl. HL hatte noch genug Humor, W. und dann auch mich beim Kampf mit dem Seil zu fotografieren. Ein Bergseil ist ein tückisch Ding.
HL ging sogar alleine vor zur Hütte, immerhin noch 500 m Abstieg. Dort war er in besten Händen, die Hütte ist ein Bergrettungsstützpunkt, und überhaupt ist es eine sehr schöne Hütte. HL blieb bei bester Laune, obwohl er Schmerzen haben musste, der Zeh war gebrochen, und mal wieder war die Tour für ihn vorzeitig beendet.
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4.Tag: Tagestour, Von der Warnsdorfer Hütte zum großen Geiger.
Wetter prima. Mit W. soll es zum Großen Geiger gehen. Am Gamsspitzl eine große, von einem alten Bergführer geführte Gruppe, Frauen teilweise in Shorts, wollen zur Kürsinger Hütte. Der Alte zieht sie erst mal am Seil über den kleinen Grat auf das Gamsspitzl. Er weiß, was er tut. Hier lernt er seine Leute schon mal kennen, besser hier, als nachher an dem Stück Klettersteig.

Auf dem Foto die Spur vom Gamsspitzl zum Mauertörl. Der Schnee war noch hart, es ging sich sehr gut. Das Törl oben schneefrei, Blöcke. Auf der anderen Seite recht steil im Schnee, hier schon weich, da Südhang, hinunter, und, am unteren Ende der linksseitigen Rippe ein Blick auf den Geiger (Bild unten rechts):

Die schöne Pyramide ist der Geiger. Aufgenommen nach dem Abstieg vom Mauertörl, man sieht, wie steil das war. Im weiteren Weg muss man zur Umgehung der Rippen immer wieder absteigen, und, um die Gletscher an den günstigsten Stellen zu erwischen, zwischen den Rippen wieder aufsteigen. Ich ging immer vor, im tiefen Schnee war das mühsam. Wieder waren die Spalten praktisch ungefährlich, da zugeschneit. 

Bevor wir den Gipfel selbst angingen, sahen wir oben eine größere Gruppe absteigen. Sie kamen kaum voran, weil die Führer die Gruppe sehr sorgfältig sicherten. Und tatsächlich, ich fand den Anstieg beängstigend steil, und abwärts blickte man ins Nichts!


 
W. vor dem eigentlichen Gipfelanstieg. Auf diesem letzten Stück gingen wir ohne Seil. Rechts oben Blick auf die gleiche Kette von oben. Und dann ich auf dem Gipfel. Helden sehen anders aus. Ich hatte nur Angst vor dem Abstieg, und vor dem mühsamen Auf und Ab im tiefen Gletscherschnee. Auf der Nase ein Pflaster gegen Sonnenbrand. 
Wir kamen heil runter, in dieser Art Gelände gibt der tief eingerammte Pickel viel Sicherheit. Es wurde aber später Nachmittag, und der Schnee war vollends aufgeweicht. Beim letzten Aufstieg zum Mauertörl musste ich jeweils nach 3-5 Schritten verschnaufen! Oben übernahm W. dann die Führung, ging resoluter voran, und „brachte die Kuh so zügig vom Eis“. 

 
Vom Gamsspitzl zur Warnsdorfer Hütte absteigend sahen wir linker Hand ein nordlichtartiges Himmelsphänomen. Vermutlich wehte dort ein Wind Schneekristalle in die Luft, welche diese Regenbogenfarben hervorriefen.

5. Tag: Abstieg
Langes Latschen durch das Krimmler Aachtal, auf Naturstraße. HL. war am Tag davor vom Hüttenwirt ins Tal mitgenommen worden, hatte sich in einem Krankenhaus verarzten lassen, und schmiedete bereits Pläne für seinen Resturlaub. 

 
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